Wie funktioniert Stromhandel?

Die Strombörse einfach erklärt

Wussten Sie, dass es in Deutschland eine Strom­börse gibt? Womit an der Strombörse gehandelt wird, ist klar – mit Strom. Doch wie dieser Strom­handel abläuft, wer an der Strom­börse teilnimmt und was Erenja damit zu tun hat, erklärt uns Energie­händler Guido Buschmeier aus unserem Team.

Was macht ein Energie­händ­ler?

Guido Buschmeier und Volker Krampe an ihren Handelsolätzen

Wir als Privat­personen wis­sen unge­fähr, was wir im Jahr an Strom ver­brauchen. Diese Mengen kennt auch unser Ver­sor­ger und kauft sie weit im Voraus ein. Aber was ist, wenn es plötz­lich mehrere Wochen sehr heiß wird: wir, wie sehr viele andere, Klima­geräte und Zusatz­kühl­schränke an­schaf­fen und der Strom­ver­brauch uner­war­tet stark steigt? Dann muss auch der Ver­sor­ger handeln und den benötigten „Mehr“-Strom dazu­kaufen – schnell und mög­lichst zu einem guten Preis. Oder ver­kaufen – wenn wir alle zu Spar­füchsen werden und Strom „übrig“ ist. Der Ort für Kauf und Verkauf von Strom ist die Strom­börse. Natür­lich ist es in Wirk­lich­keit viel kompli­zier­ter und als Energie­versorger müssen wir tag­täg­lich unsere Mengen und Be­darfe und auch die Strom­preise im Blick haben.
Einer unserer Fach­leute dafür ist Guido Buschmeier. Er kümmert sich im Laufe seines Arbeits­tages um die Kalkulation von Groß­kunden­an­fragen nach Strom. Wie viel muss Erenja am Ende des Tages be­schaf­fen und zu welchem Preis kann der Ein­kauf reali­siert werden? Bei dieser Planung spielen die Be­griffe Termin­markt sowie Spot­markt eine wichtige Rolle. Doch dazu später mehr.

Guido Buschmeier im Porträt

Um Energie­händler zu werden ist es wichtig, grund­sätzlich an Handel, Finanz­märkten sowie dem Börsen­geschehen all­ge­mein interessiert zu sein. Ein gutes Zahlen­verständ­nis er­weist sich als eben­so hilf­reich wie die Fähig­keit, in stres­sigen Si­tu­ationen einen küh­len Kopf zu be­wah­ren.

Guido Buschmeier arbei­tet seit April 2018 bei der GELSENWASSER AG. Dort lei­tet er die Grup­pe Energie­handel mit fünf Gas- und Strom­händ­lern. Er ist 42 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und zwei Kin­dern in Mün­ster. Nach dem VWL-Studium stieg er in die Energie­wirtschaft ein und ar­bei­tet nun seit 13 Jahren in diesem Be­reich, die meiste Zeit mit dem Schwer­punkt Energie­handel.

Guido Buschmeier

Was passiert an der Strombörse?

Früher war es ganz einfach: Die Stromerzeuger haben ihren Strom in der Regel direkt an die Nutzer verkauft. Nachteil: Sie hatten in „ihrem“ Gebiet eine Alleinstellung, es gab keinen Wettbewerb. Das sollte im modernen Europa ganz anders werden und darum wurden ab 2008 die Energienetze und der Energieverkauf getrennt. Seitdem wird auch Strom unabhängig vom Leitungsnetz verkauft – und die Anbieter konkurrieren untereinander. Den Strom, den sie zur Versorgung benötigen, müssen sie einkaufen. Und damit dies einfach und nachvollziehbar geschehen kann, wurde eine Strombörse für Deutschland und den europäischen Markt eingeführt – die EEX (European Energy Exchange) mit Sitz in Leipzig. Buschmeier erklärt uns die Strombörse so: Eine Börse ist allgemein gesagt ein Marktplatz, der Käufer*innen und Verkäufer*innen einer Ware zusammenbringt, damit sie handeln und eventuell ein Geschäft abschließen können.

Stromhandel an der Strombörse

Damit dieser organi­sierte Handel reibungs­los abläuft, müssen bestimmte Voraus­setzungen erfüllt sein. Eine davon ist, dass die Quali­tät der Handels­ware standardi­siert ist. Nur so können die gehan­delten Waren – in unserem Fall die Strom­pakete – mitein­ander ver­glichen werden. Das be­deu­tet, dass zwar der Preis nicht direkt zu Beginn des Handels fest­steht, aber die Be­schaf­fen­heit der Ware. Über den Preis dieser Strom­pa­kete gilt es dann an der Strom­börse zu ver­han­deln. Die Zusammen­setzung des Stroms, mit dem an der Strom­börse ge­han­delt wird, entspricht dem deutschen Strommix aus fossilen und erneuerbaren Energiequellen.

 

So unterscheidet sich Ökostrom von „Normalstrom“

An der Strom­bör­se wird nicht zwischen ver­schie­de­nen Strom­quali­täten unter­schieden. Des­wegen funktio­niert der Handel mit Öko­strom ein wenig anders als mit kon­ventio­nellem Strom. Um Verbraucher*innen Öko­strom an­bieten zu kön­nen, müssen Herkunftsnachweise vor­lie­gen, die doku­men­tieren, dass der Strom aus erneuer­baren Ener­gien stammt. Die Herkunfts­nachweise werden direkt zwischen Produ­zent und Energie­versorger ge­han­delt, nicht an der Strom­börse. Dort kauft man also nur den Strom, der durch die Her­kunfts­nach­weise zu Öko­strom wird.

Solarstrom wird erzeugt

Alles on­line – auch bei der Strom­bör­se

Wir haben Buschmeier gefragt, ob man sich die Strom­börse wie die Aktien­börse vor­stellen muss: große Anzeige­tafeln mit vielen Zahlen, Parkett­handel und jede Menge Hek­tik? Er ver­neint: “Es gibt an der Strom­börse keinen Parkett­handel. Alle Geschäfte werden ausschließlich elektro­nisch gemacht.” Aber es gibt wie an der Wert­papier­börse Broker, die versuchen, die Handels­partner zusammen zu bringen. Der Kontakt zu diesen Vermittlern kommt heut­zu­tage in der Regel über Online­platt­formen zu­stande.

Der größte Unter­schied zum Börsen­handel mit anderen Waren liegt darin, dass man Strom nicht auf Vor­rat kaufen kann. Strom ist nicht speicher­bar und die Strom­mengen sind zeit­lich begrenzt, daher müssen Pro­duk­tion und Ver­brauch jeder­zeit aus­ge­glichen sein. An­sonsten könnte es im schlimmsten Fall zu einem Blackout kommen.

Wer nimmt an der Strom­börse teil?

Die Marktteilnehmer der Strombörse lassen sich in drei Gruppen einteilen:

 

Stromversorger:

Sie versuchen, den Strom möglichst günstig für den Bedarf ihrer Kund*innen an der Strombörse einzukaufen. Bei den Stromversorgern kann es sich um Stadtwerke, Stadtwerke-Kooperationen oder lokale Energieversorger handeln.
 

Stromproduzenten:

Ihr Ziel ist es, die Stromproduktion durch den Verkauf von Strom abzusichern. Dabei handelt es sich um die großen Stromkonzerne RWE, E.ON, Vattenfall oder EnBW. Es sind jedoch auch europäische Energiekonzerne wie EDF aus Frankreich, Statkraft aus Norwegen oder Verbund aus Österreich an der EEX aktiv.
 

Spekulanten:

Sie versuchen, durch den Kauf und Verkauf von Strom an der Strombörse Gewinne zu erzielen. Typische Unternehmen sind Investmentbanken, Fonds, aber auch Mineralölkonzerne mit Stromvertrieb.

Lang- und kurz­fristiger Strom­handel: Termin­markt und Spot­markt

Spotmarkt

An der Strombörse wird mit Strom sowohl für einen kürzeren Zeitraum als auch für einen längeren Zeitraum gehandelt. Als Energiehändler spricht man vom Spotmarkt und vom Terminmarkt. Doch was bedeutet das?

Spotmarkt

Am Spotmarkt wird 365 Tage im Jahr mit Strom ge­han­delt. Der Handels­hori­zont erstreckt sich hier nur über wenige Tage. Man kauft dort also den Strom, den man für die näch­sten Tage benötigt und der einem, nachdem man am Termin­markt längst ge­kauft hat, noch fehlt. Im Unter­schied zum Termin­markt können hier auch relativ kleine Mengen gehan­delt werden. Dabei kann es sich um Stunden- aber auch Viertel­stunden­an­ge­bote han­deln. Der Spot­markt hilft dem Händ­ler, seine Strom­menge gezielt auf­zu­stocken, so­dass am nächsten Tag genug Strom vor­handen ist.

Terminmarkt

Am Termin­markt handelt man mit Strom für die nächsten vier Jahre. Das heißt, man geht ein Termin­geschäft ein, bei dem der Preis fixiert wird und die Liefer- sowie Abnahme­ver­pflich­tungen in der Zu­kunft liegen. Eine exakte Strom­menge für den jeweiligen Tag in der Zukunft kennt man zu diesem Zeit­punkt noch nicht – aber man weiß ja unge­fähr, was die Kunden üblicher­weise ver­brauchen.
Für den tages­aktuellen Aus­gleich benötigt man darum zusätz­lich den so­ge­nannten Spot­markt.

Die Strommenge, die am Ende bei den Kund*innen ankommt, ist also ein Mix aus Terminmarkteinkäufen und gezielten, kurzfristigen Zukäufen auf dem Spotmarkt, kurz bevor man den Strom benötigt.

An der Strombörse wird der Strompreis, wie an jeder anderen Börse auch, durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Preisschwankungen am Spotmarkt fallen mitunter sehr stark aus. Das Angebot für Strom wird vor allem durch unser Klima beeinflusst (Windaufkommen und Sonneneinstrahlung hängen von Wetter und Jahreszeit ab) sowie durch die Verfügbarkeit von konventionell erzeugter Energie aus Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerken.

Die Nachfrage hängt dagegen sehr von der Konjunktur ab. “Während des Corona-Lockdowns im März und April 2020 ging die Nachfrage in der Industrie stark zurück, wodurch der Preis sank“, erinnert sich Buschmeier. Aber auch Jahreszeiten und Wetter haben Einfluss: In den dunklen Monaten benötigen wir mehr Strom für Beleuchtung, bei Hitzewellen hingegen laufen die Klimaanlagen auf Hochtouren.

Ein weiterer Faktor beim Strompreis sind die Brennstoffpreise für Gas und Kohle sowie der Preis für die CO2-Zertifikate.

Was kostet Strom an der Strombörse?

Der Strom­preis an der Strom­börse kann sehr unter­schied­lich ausfallen. An windreichen Tagen mit geringer Nach­frage (zum Beispiel an Feier­tagen) kann er sogar negativ werden. Bei Knapp­heit hin­gegen kann eine Mega­watt­stunde Strom bis zu 200 Euro kosten.
Auch am Termin­markt schwankt der Preis, jedoch nicht so stark. In der Vergangen­heit lag der Preis unge­fähr zwischen 30 und 50 Euro/MWh. Da hier der Strom weit im Voraus gekauft wird, spielen Tages­schwankungen keine Rolle. Am Ende macht der Strom­preis jedoch nur einen kleinen Teil des tat­säch­lichen Preises aus. Ein Großteil davon sind Steuern und Ab­gaben.

Was kostet Strom an der Strombörse

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