Energie Blackout in Deutschland: Wie wahrscheinlich ist er?

Seit einigen Monaten und Wochen beherrscht die „Strom­mangel­lage“ in Europa die Schlag­zeilen. Kommunen und Land­kreise erklären in Zeitungs­interviews, wie sie sich auf einen „Blackout“ vorbereiten. Die öffentlichen Appelle zum Strom- und Gas­sparen reißen nicht ab.

All das – und die deutlich gestiegenen Energie­preise – verunsichern die Bevölkerung. In einer repräsentativen Umfrage der Markt­forschungs-Plattform Appinio von Anfang Oktober hielten 64 Prozent der Befragten Strom­ausfälle in den kommenden Monaten für wahr­scheinlich. Doch wie realistisch ist die Gefahr, dass wir bald einen Black­out erleben und in unseren Wohnungen bibbern müssen?

Großflächiger Stromausfall nicht zu befürchten

Von einem Blackout sprechen Experten, wenn ein größerer Teil des europäischen Verbund­netzes oder gar das gesamte Netz ausfallen würde. Nach Auffassung der Bundes­netzagentur (BnetzA) müsste dazu folgendes Szenario eintreten: ein zu hoher Strom­bedarf bei zu geringer Erzeugung gepaart mit einem „schweren Fehler an neural­gischen Stellen des Übertragungs­netzes“. Da das Strom­netz jedoch mit mehreren Sicherungen und Back­ups ausgestattet ist, um einen voll­ständigen Zusammen­bruch zu verhindern, hält die Bundes­netz­agentur einen Black­out für „äußerst unwahr­scheinlich“.

Groß­flächige lang­anhaltende Strom­ausfälle habe es in Deutsch­land bis­lang nicht gegeben, so eine Stellungnahme der Bundes­regierung von November. Wirtschafts­minister Robert Habeck bekräftigte Anfang Dezember gegen­über der Presse, dass er auch jetzt keine Black­out-Szenarien wegen einer Unter­versorgung mit Strom befürchte. Die Verfüg­barkeit von Energie zur Strom­erzeugung für diesen Winter sei gesichert, alle Kapazitäten seien am Netz.  

Blackout eher unwahrscheinlich, Stromausfälle möglich

Kerstin Andrae, Chefin des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Kerstin Andrae - BDEW

Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft Kerstin Andrae hält einen Blackout in Deutsch­land ebenso für „sehr unwahrscheinlich“. Nicht auszu­schließen seien jedoch „Situationen, in denen regional kurz­fristig abgeschaltet werden muss. Das wäre jedoch kein klassischer Strom­ausfall, sondern ein kontrollierter Eingriff, um die Netze zu stabilisieren, damit die Versor­gung deutschland­weit gesichert bleibt“, so die BDEW-Chefin weiter. In der Fach­sprache heißt ein solcher Eingriff „Brownout“.

Brownout -Schriftzug hinter Glühbirne

Was ist ein Strom Brownout?

Es ist selten, aber es kommt vor, dass Prog­nosen einen erhöhten Strom­bedarf voraus­sagen, der sich nicht mit kurz­fristigen Strom­einkäufen im Ausland decken lässt. Dann sind die deutschen Über­tragungs­netz­betreiber dazu angehalten, den Strom­bedarf zu drosseln, damit das Netz nicht über­lastet wird. Solche kontrollierten Eingriffe werden im Fach­jargon „Brownout“ genannt. Dabei wird die Spannung in einzelnen Stadt­teilen herunter­geregelt. Und zwar hinter­einander, nicht in mehreren Quartieren gleich­zeitig, damit der Strom je Haushalt möglichst kurz unter­brochen wird. 

Bevor im Stadt­teil die Lichter ausgehen, werden zunächst besonders energie­intensive Unter­nehmen vom Netz genommen, denn diese dienen als Puffer im Strom­netz. Dazu gibt es Verträge zwischen den Über­tragungs­netz­betreibern und den industriellen Groß­kunden. Der Brown­out wird nur im äußersten Fall angewendet und dauert in der Regel 90 Minuten. „Unter­nehmen und Einrichtungen der kritischen Infra­struktur, wie etwa Kranken­häuser, Trink­wasser­versorger und Abwasser­entsorger wären in einem solchen Fall natürlich nicht gefährdet – denn sie verfügen ohnehin über Not­strom­aggregate“, betont Kerstin Andrae.

Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz: Weniger Gas für die Stromerzeugung

"Wir sind in einer sehr ange­spannten Situation, aber Panik­mache hilft uns hier nicht weiter", so Kerstin Andrae.

Kraftwerk, Photovoltaikanlage und Windräder

Aus Sorge davor, im Winter in einer kalten Wohnung zu sitzen, haben sich viele Gaskund*innen einen mobilen Heiz­lüfter zugelegt. Vom Gebrauch der Strom­fresser rät Kerstin Andrae ausdrücklich ab und mahnt zur Besonnen­heit: „Die privaten Haus­halte gehören zu den geschützten Kunden!“ Im Fall eines echten Gas­mangels würden diese also zuerst versorgt. Mit dem Ersatz­kraft­werke­bereit­haltungs­gesetz ermöglicht es die Bundes­regierung zudem, dass weniger Erdgas bei der Strom­erzeugung eingesetzt wird. Alte oder bislang nur zur Reserve bestimmte Öl- und Kohle­kraft­werke dürfen seitdem wieder am Markt teilnehmen. „Sollte trotz aller bereits eingeleiteter und noch anstehender Maß­nahmen doch die Situation eintreten, dass das Gas knapper wird, dann werden die Haus­halte stets vorrangig beliefert. Dieses Privileg haben sonst nur noch Kranken­häuser, Polizei, Feuer­wehr und Co – und es ist gesetzlich verankert“, ergänzt Kerstin Andrae.

 

Strom sparen hilft gegen den Gasmangel

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Gasflamme

2021 wurden noch rund 16 Prozent des in Deutschland hergestellten Stroms aus Erdgas gewonnen. Doch infolge der Ukraine-Krise ist für 2022 ein Rückgang der teuren Gasverstromung zu erwarten. In der ersten Jahreshälfte 2022 betrug der Erdgasanteil an der Stromerzeugung „nur“ noch 11,7 Prozent. Ein völliger Verzicht auf Gas in der Stromerzeugung hingegen ist nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit nicht möglich.Gas sei vor allem in Spitzenzeiten nötig, um die Stromversorgung von Verbrauchern nicht zu gefährden. Umgekehrt heißt das aber auch: Wer zu Hause Strom spart, tut etwas gegen sinkende Füllstände in den deutschen Gasspeichern. Die Gas-Knappheit der letzten Monate hat außerdem dazu geführt, dass die Preise für Erdgas und Strom rasant gestiegen sind. Schon deswegen ist Energiesparen ein Gebot der Stunde – außerdem leistet man damit in der Krise einen Beitrag für die sichere Energieversorgung in Deutschland. 

Energie- und Wärmewende beschleunigen

Für unabdingbar hält die BDEW-Chefin den Aufbau von LNG-Terminals, die Erhöhung der Importmenge aus anderen Ländern und eine nachhaltige Sicherung der Füllstände in den Gasspeichern.

LNG-Terminal mit Frachtschiff

Wie kommt Deutschland aus dieser Energiekrise, ohne dass die Klimaziele zu kurz kommen? Die Energiewirtschaft arbeite mit Hochdruck daran, kurzfristig Energiemengen aus Russland zu substituieren und einzusparen und mittel- bis langfristig unabhängig von fossilen Rohstoffen und damit auch von russischen Importen zu werden, betont Kerstin Andrae. „Dauerhaft unabhängiger zu werden, heißt aber auch, jetzt sämtliche Weichen in Richtung Ausbau der Erneuerbaren zu legen. Im Wärmesektor werden beschleunigte Altbausanierung und die Ablösung fossiler Technologien durch klimaneutrale Systeme jetzt noch wichtiger. Zudem müssen die Bedingungen für Netzausbau und Wasserstoff-Hochlauf schnellstens verbessert werden“, fordert Kerstin Andrae. Das Motto könne derzeit nur noch heißen: „Beschleunigung jetzt!“

Gut so: Heizlüfter bleiben im Keller

Heizlüfter anschalten, um bei hohen Gaspreisen Geld zu sparen: vor dieser Idee warnen Verbraucherschützer. Mit dem Dauereinsatz der Stromfresser spart man kein Geld, sondern treibt allenfalls seine Stromrechnung in die Höhe. Zudem sind die Heizlüfter nicht für den Dauergebrauch gedacht und überhitzen schnell. Vor allem in älteren Gebäuden kann so die Elektroninstallation überlastet werden. Eine Heizdecke eignet sich viel besser, da sie deutlich weniger Strom zieht und gezielt Wärme spendet.

Befürchtungen, massenhaft betriebene Heizlüfter könnten Stromausfälle auslösen, haben sich bislang nicht bewahrheitet. Schon nach dem ersten Kälteeinbruch im November 2022 gab der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller im „Tagesspiegel“ Entwarnung. „Die Geräte werden nicht eingeschaltet. Sie stehen im Keller.“ Gut so!

Im Dunkeln, warm angezogen und Hände über der Kerze

Tipps für alle Ernstfälle

Heizung ausgefallen, Strom weg, Haushalt in Quarantäne? Gut, wenn man für solche Notfälle vorbereitet ist. Einige Anregungen finden Sie hier: 

Es werde Licht!

Man sollte immer ein oder zwei Taschenlampen, Reservebatterien und Ersatzbirnchen im Haushalt haben. Eine Alternative bei Stromausfall können solar- oder kurbelbetriebene Taschenlampen sein. Auch Campinggas- oder Petroleumlampen spenden Licht, dann aber auch an Streichhölzer bzw. Feuerzeuge denken. Wichtig: Kerzen wegen der Brandgefahr gut beobachten. 

Im Krisenfall gut informiert

Gut, wenn man in besondere Gefahrenlagen Zugang zu Informationen hat. Ein batteriebetriebenes Koffer- oder ein Kurbelradio kann da sehr hilfreich sein. Ebenfalls wichtig: immer eine vollgeladene Powerbank für das Smartphone und das Laptop in petto zu haben.

Heizungsausfall – was tun?

Nicht nur bei einem defekten Heizkessel, auch bei Stromausfall bleiben die Heizkörper kalt. Da hilft nur: warm anziehen und Decken aus dem Schrank holen. Am besten nutzt man nur noch einen Raum und hält die Türen zu den übrigen Räumen geschlossen. Wer einen Kaminofen hat, sollte sich für alle Fälle mit Kohle, Briketts oder Holz eindecken. Bereits stillgelegte Holzöfen darf – wegen der Betriebs- und Brandsicherheit – nur ein Fachbetrieb wieder anschließen. Schornsteinfeger*innen und Feuerwehr warnen davor, in Innenräumen Gas-Heizstrahler, Ethanol-Feuerstätten, Campingkocher, Grills und Feuerschalen zum Heizen zu nutzen. Es besteht akute Vergiftungsgefahr! 

Notration anlegen

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rät, für alle Ernstfälle Essen und Getränke für etwa zehn Tage vorzuhalten: zwei Liter Flüssigkeit pro Person und Tag sowie haltbare Grundnahrungsmittel. Diese Online-Checkliste zeigt, woraus der Notvorrat bestehen sollte. Tipp: Die Lebensmittelreserven in den Alltag integrieren, also immer wieder verbrauchen und erneuern – so kann nichts davon verderben. Nicht zuletzt sollte man immer etwas Bargeld im Haus haben, denn bei einem größeren Stromausfall funktionieren auch die Geldautomaten nicht mehr.  

An die Behelfsküche gedacht?

Auf einem Campinggaskocher lassen sich kleinere Mahlzeiten bereiten, Gaskartusche nicht vergessen. Wer einen Garten hat oder einen größeren Balkon, kann auch den Holzkohle- oder Gasgrill zum Kochen zweckentfremden. Niemals drinnen grillen!

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