Bringt Wasserstoff die Wende?

Wasserstoff und Umwelt

Klimakrise und Kostenexplosion bei Strom und Gas: Alternative Energiequellen sind so wichtig wie nie zuvor. Dabei ist immer häufiger von Wasserstoff als Energieträger die Rede. Warum ist das so? Und was ist zu tun, damit wir ihn zum Beispiel zum Heizen nutzen können? Darüber sprechen wir mit Friederike Konold, Projektleiterin für das Thema Wasserstoff bei unserer Muttergesellschaft GELSENWASSER AG.

Im Gespräch mit Expertin Friederike Konold
Zur Person: Die Volkswirtin koordiniert bei der GELSENWASSER AG die operativen Aktivitäten rund um den Energieträger Wasserstoff. Neben dem internen Austausch spielt hierbei auch die Vernetzung mit anderen Akteuren eine wichtige Rolle. Seit Sommer 2021 ist Friederike Konold daher auch Mitglied des Vorstands im
h2-netzwerk-ruhr.

Friederike Konold

Frau Konold, das Wichtigste zuerst: Was macht Wasserstoff als Energieträger so interessant?

Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas, das in vielerlei Hinsicht Erdgas ähnelt. Ökologisch entscheidend: Wenn wir Wasserstoff verbrennen, entsteht kein CO2, sondern lediglich Wasserdampf. Zudem können wir ihn recht effizient aus (erneuerbarem) Strom erzeugen und im Gegensatz zu Strom lässt sich Wasserstoff gut und in großen Mengen speichern. Das ist besonders wichtig, je mehr Energie wir aus Sonne und Wind gewinnen.

All diese Eigenschaften machen Wasserstoff als Energieträger der Zukunft attraktiv. Hinzu kommt noch, dass sich die Verbrennungs- und Transporteigenschaften von Erdgas und Wasserstoff ähneln. Das bedeutet, dass wir die vorhandenen Netze nutzen können.

 

2021 hat die GELSENWASSER AG unter Ihrer Leitung ein eigenes Wasserstoff-Projekt gestartet. Warum und worum geht es dabei?

Wir bei Gelsenwasser sind der Überzeugung, dass Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Und zwar nicht ausschließlich in den Bereichen Industrie und Verkehr, wie oftmals zu hören ist, sondern auch im Wärmemarkt. So sollte Wasserstoff zukünftig auch vor Ort in geeigneten Heizgeräten (zum Beispiel ) eingesetzt werden. Um diesen dezentralen Einsatz zu ermöglichen, müssen wir die Gasnetze der GELSENWASSER Energienetze GmbH (GWN) fit machen für Wasserstoff. Denn nur dann kommt der Energieträger auch in den einzelnen Betrieben und Haushalten an.

Kurz erklärt
Vereinfacht gesagt, sind Ausspeisepunkte die Stellen im Verteilnetz, an denen Gas entnommen wird. Das können private Haushalte, aber auch Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen sein.

Im Zentrum steht also zunächst der Transport von Wasserstoff zu den sogenannten Ausspeisepunkten ?

Das stimmt. Denn wir müssen sicherstellen, dass eine Endkundenversorgung mit Wasserstoff genauso gut funktioniert wie mit Erdgas oder Strom. Und dabei spielt natürlich das Verteilnetz eine wesentliche Rolle. Denn die bestehenden Netze könnten zukünftig den Wasserstoff zu den Ausspeisepunkten transportieren. Ein Neubau wäre nur da erforderlich, wo Netze miteinander verbunden oder alte Leitungen ersetzt werden müssen.

Wasserstoff, Wind, Sonne
Recht und Gesetz
Erdgasleitung

Auf dem Betriebsgelände in Linnich wird die GWN demnächst eine Teststrecke in Betrieb nehmen. Was passiert dort konkret?

Die dort existierende rund 130 Meter lange Erdgasleitung wird bis zur Jahresmitte komplett auf Wasserstoff umgestellt. Dazu bauen wir ein Wasserstoff-Flaschenlager auf und speisen den Energieträger darüber in die Versorgungsleitung ein. Die angeschlossenen Ausspeisepunkte (ein Betriebsgebäude und eine Lagerhalle) werden dann anstelle von Erdgas über Wasserstoff mit Wärme versorgt. Vorab ist eine externe technische Prüfung des bestehenden Netzes erforderlich und auch die Heizgeräte müssen wir austauschen.

Für den Transport von Wasserstoff durch Verteilnetze gibt es noch keine Regelwerke. Wie steht es da um die Sicherheit?

Wie stellen wir Gasnetze, -anlagen und -geräte sicher und effizient auf 100% Wasserstoff um? Die Regeln dafür erarbeiten aktuell der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches und der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband. Übergangsweise haben wir zur Absicherung unseres Projekts in Linnich den TÜV Süd ins Boot geholt – als kompetenten Partner in Fragen der Arbeits- und Betriebssicherheit. Außerdem bereiten wir uns selbst natürlich über Weiterbildungen und Schulungen bestmöglich auf den Betrieb eines Wasserstoffnetzes vor.

Und die Kosten? Trägt die Umstellung der Gasverteilnetze dazu bei, das klimaneutrale Heizen für Normalverbraucher*innen bezahlbar zu machen?

Der Bezug von Wasserstoff ist derzeit recht teuer, was schlicht und ergreifend auch daran liegt, dass er noch nicht in allzu großen Mengen verfügbar ist. Aber die Bereitstellung und Nutzung von Wasserstoff wird international und national vielfältig unterstützt; wir können also mit sinkenden Kosten für diesen Energieträger rechnen. Und natürlich brauchen wir auch für den Einsatz bei den Endverbraucher*innen Förderprogramme, wie es sie heute bereits für den Erwerb und Einbau von Wärmepumpen gibt. Grundsätzlich wird aber das klimaneutrale Heizen künftig nur dann bezahlbar sein, wenn die bestehenden Gas- und Stromverteilnetze dabei eine Rolle spielen. Denn andernfalls müsste ein kostspieliger Netzausbau mitfinanziert werden.

 

Letzte Frage: Was sind die nächsten Schritte? 

Bei unserem Projekt in Linnich stehen wir sozusagen in den Startlöchern. Sobald die Heizperiode vorbei ist, beginnen wir mit der Umsetzung. Parallel dazu entwickeln wir für unsere Endkunden derzeit ein Produkt, das den Einsatz von Brennstoffzellenheizungen erleichtert. Ein erster Testlauf ist für den Sommer 2022 geplant.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zum Thema Wasserstoff und Energiewende …

… erfahren Sie zum Beispiel auf den Seiten von H2vorOrt. Im Angebot: umfassende Informationen rund um die Frage, wie wir „Wasserstoff über die Gasverteilnetze für alle nutzbar machen“.

Wasserstoff-Moleküle

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